Übersetzung des Interviews mit Agnieszka Mese, das am 08.03.2020 Anna Maciol-Holhausen auf Polnisch für die Deutsche Welle, Polnische Redaktion führte: „Wird Kunst von Frauen auf dem Kunstmarkt immer noch unterschätzt?“
Das Originalinterview wurde von Agnieszka Mese übersetzt.

Wird die Kunst von Frauen auf dem Kunstmarkt immer noch unterschätzt? [Interview]

Agnieszka Mese, eine in Deutschland lebende Polin*, von Beruf Kunstberaterin, hilft Künstlern und Künstlerinnen ihre ersten Schritte auf dem Markt zu unternehmen, organisiert Workshops und unterstützt die Kunst von Frauen, z. B. während der Veranstaltungen von FrauenArt.
(c) Ania Holthausen - Agnieszka Mese
(c) Anja Holhausen, Porträt Agnieszka Mese

DW: Werden Künstlerinnen auf dem Kunstmarkt immer noch nicht wertgeschätzt?

Agnieszka Mese: Sie werden geschätzt, aber nicht in dem Maße wie Männer. Gerade werden geniale Künstlerinnen mit ihrem Lebenswerk entdeckt, z. B.Miriam Cahn: Seit über 40 Jahren ist sie auf dem Markt. 2019 präsentierte sie Ihre Ausstellung „Ich als Mensch“ auf zwei gesamten Etagen des Kunstmuseums Bern – kein zeitgenössischer Künstler hatte bisher so viel Präsentationsfläche in diesem Museum. Die Ausstellung zeigte auch das Haus der Kunst in München und das Museum of Modern Art in Warschau. Selbst Marina Abramović sagte in einem Interview, dass sogar ihre Familie sie jahrelang für einen „Looser“ hielt. Heute, im Alter von über 70 Jahren, gehört sie endlich zu den berühmtesten Künstlerinnen der Welt.
Ist es ein Trend oder tatsächlich eine Veränderung, dass Museen und Galerien zunehmend immer mehr Kunst von Frauen präsentieren?
Das ist die Frage. Im Moment sicherlich ein Trend, wir werden sehen, ob er sich hält. Ein Statement hat als eines der ersten Kunstmuseen die Tate Britain in London gesetzt: Während des gesamten Jahres 2019 wurde in der Sektion Zeitgenössische Kunst der letzten sechzig Jahre ausschließlich Kunst von Künstlerinnen präsentiert. Das gab es vorher nicht. Erwähnenswert ist ebenfalls, dass der Turner-Preis der Tate Britain in den letzten sechs Jahren nur von Frauen gewonnen wurde. Das ist ein Schritt in die richtige Richtung, trotzdem gibt es kein Gleichgewicht. Künstlerinnen werden immer noch seltener in Galerien präsentiert. Preise und Wettbewerbe werden auch häufiger an Männer vergeben. Die Ausstellung „Im Zweifel für den Zweifel“ im NRW-Forum in Düsseldorf löste 2018 eine große Debatte über Diskriminierung aus. Den Organisatoren der Ausstellung wurde vorgeworfen, hauptsächlich Arbeiten weißer Männer zu zeigen – genau von zwölf Künstlern und einer einzigen Künstlerin.
Auf dem internationalen Auktionsmarkt wird Kunst von Künstlerinnen nur halb so teuer gehandelt wie die von Künstlern. Ein Forschungsteam der Luxembourg School of Finance hat gezeigt, dass ihre Werke für durchschnittlich 48.212 USD und Künstler für 25.262 USD verkauft werden.
Der Unterschied wird überwiegend in den Taxen für einzelne Kunstwerke sichtbar. Der teuerste moderne Künstler ist im Moment Jeff Koons, dessen Skulptur „Rabbit“ im vergangenen Jahr für 91,1 Millionen US-Dollar versteigert wurde, während das teuerste Gemälde der Künstlerin Georgia O’Keeffe „Jimson Weed/White Flower“ 2014 für 44,4 Millionen US-Doller verkauft wurde. Das Gefälle ist groß.
(c)Ania_Holthausen_FrauenArt_Ateliersbesuch_beiSilkeAlbrecht_februar2020_organisiert_vonArtConsultingMese (14)
(c) Anja Holhausen, Agnieszka Mese und die Künstlerin Silke Albrecht während des Abends von FrauenArt in Düsseldorf
Woran liegt das?
Wenn man sich in diesem Preissegment bewegt, wird Kunst als Investition behandelt. In diesem Fall denken die Kunden: Die Kunst ist gut, aber eine Künstlerin, wie lange hält sie sich auf dem Markt? Das resultiert vor allem durch die historischen Entwicklungen, den Frauenrechten und damit zusammenhängenden Rechten von Künstlerinnen in den vergangenen Jahrhunderten. Erst ab 1920 durften Frauen die Akademie besuchen und dann wurden sie nur in Landschaftsmalerei oder Stillleben unterrichtet. Oft endete ihre Karriere, wenn sie heirateten. Wenn der Ehemann wollte, dass seine Frau sich ausschließlich der Kindererziehung widmete, dann unterstützte ihn das Gesetz dabei.
Heutzutage betrachten Galerien Künstlerinnen weiterhin skeptisch. Sie befürchten, dass sie doch eine Familie gründen könnten und dadurch eventuell den Markt verlassen würden. Glücklicherweise ändert sich dieser Trend. Begründet ist dies durch das wachsende Bewusstsein der Frauen für ihre Rechte, für die sie bereit sind gemeinsam zu kämpfen, wie es unter anderem z. B. die „Metoo“-Debatte gezeigt hat.
Und Agnieszka Mese mit Art Counsulting Mese. Du hilfst Künstlern und Künstlerinnen ihre ersten Schritte auf dem Kunstmarkt zu machen, organisierst Workshops, unterstützst Künstlerinnen, …
Das alles ist spontan entstanden. In erster Linie bin ich Beraterin und unterstütze SammlerInnen, Privatpersonen sowie Unternehmen beim Kauf von Kunstwerken. Ich beobachte ständig den Markt, was hat Potenzial wo lohnt es sich Kapital zu investieren. Es ist ein Job, indem man ständig unterwegs ist, auf Ausstellungen, Messen, Kunstevents. Ich kenne viele Künstler und Künstlerinnen. Irgendwann ergaben sich dann Fragen, ob ich sie nicht unter meine Fittiche nehmen und unterstützen könnte. Jeder Künstler möchte, dass seine Werke in einer Galerie oder einem Museum hängen, aber wie kommt man dorthin? Als Berater weiß ich, worauf Kunden bei der Auswahl von Kunstwerken Wert legen. Ich habe mich entschieden dieses Wissen weiterzugeben und habe unter anderem Marketing-Workshops entwickelt, die sich überwiegend an Künstlerinnen richten, da sie es im Moment doch noch etwas schwerer auf dem Markt haben.
Welche Fehler machen junge Künstler am häufigsten?
Einige meiden die Social-Media, sind auf einer Plattform wie Instagram nicht aktiv, weil sie unter anderem befürchten, dass jemand ihre Kunst kopieren könnte, oder sie legen einfach keinen großen Wert darauf. Gleichzeitig erwarten sie, dass ihre Werbung von der Galerie übernommen wird. Nur: Wie soll dich eine Galerie finden, wenn sie nicht einmal weiß, dass du als Künstler bzw. Künstlerin existierst?
Während der Workshops entwickeln wir eine Strategie, setzen Ziele – ob der Künstler bzw. die Künstlerin mit den Gemälden nur Geld verdienen oder sie in erster Linie in Galerien und Museen ausstellen will. Natürlich schließen sich diese beiden Aspekte nicht gegenseitig aus, aber ich habe den Eindruck, dass Künstler und Künstlerinnen Angst vor dieser Kommerzialisierung, Monetarisierung ihres Talents haben.
Weil dies den Kunstwert des Kunstwerks schmälert?
Manchmal kann das passieren, wenn die Kunst nicht gut genug ist. Man kann auch schlechte Bilder mit Marketing fördern. Aber wenn man gute Sachen macht, hat man doch das Recht, damit Geld zu verdienen. Schließlich möchte jeder von dem leben, was er tut. Natürlich geht es nicht nur darum in Social-Media aktiv zu sein, sondern, dass sich die von Künstlern geschaffene Kunst auch in sich entwickelt. Gerhard Richter ist über 80 Jahre alt. Er fügte seinen älteren Lösungen immer wieder neue Betrachtungsweisen hinzu, es entstanden Meisterwerke, seine Kunst entwickelt sich ständig weiter und ist deshalb seit so langer Zeit on top.
(c) ArtConsultingMese_FrauenArt2020Februar_SilkeAlbrecht_AgnieszkaMese_ArtConsultingMese (20)
(c) Anja Holhausen, bei den Veranstaltungen von FrauenArt wird Kunst von Frauen präsentiert, jedoch ist hier jeder herzlich willkommen
Ist es Dir gelungen, polnische Künstler publik zu machen?
Noch nicht, aber wer weiß? Zwei polnische Künstlerinnen besuchten bisher meinen Workshop, aber das ist ein Prozess. Natürlich empfehle ich meinen Kunden polnische Kunst. Persönlich mag ich die Gemälde von Agata Bogacka und die Kunst von Agnieszka Brzeżańska. Bei Agata Bogacka fasziniert mich ihr Weg, durch den sie bis zur Abstraktion gelangte, in der schließlich Formen und Farbe ineinander übergehen und verschmelzen zugleich jedoch auseinander fließen. Ich habe den Eindruck, dass polnische Künstlerinnen sehr tief in ihre Themen eintauchen und sehr vielschichtig sind. Das schätze ich an der polnischen Kunst sehr.
Ist es schwieriger Kunst von Frauen zu verkaufen?
Sagen wir es folgendermaßen: Ich kann dem Käufer gut die Kunst von Künstlerinnen anpreisen. Ausschlaggebend ist jedoch immer das Ziel: Ob es darum geht, mit den Trends mitzuschwimmen oder ob es sich in erster Linie um eine Investition handelt. Künstlerinnen sind jetzt in Mode. Entspricht das Ziel dem letzteren Fall werden noch Werke gewählt, die von Künstlern gemalt wurden. Wenn ich meinem Kunden ein Bildkatalog präsentiere, gibt es keine Namen, nur Zahlen. Hier zählt vor allem das Bild/die Kunst an sich.
Seit letztem Jahr organisierst Du die FrauenArt. Das ist eine weitere Möglichkeit, um Frauen eine Stimme zu geben.
Ich treffe viele interessante Künstlerinnen und wollte für sie eine Plattform schaffen, wo sie ihre Kunst direkt zeigen können, wo ein Dialog und Austausch stattfinden kann. Bei den Treffen von FrauenArt steht im Zentrum immer mindestens eine Künstlerin. Gerade eben war es Silke Albrecht, eine Schülerin des weltberühmten Fotografen Andreas Gursky. Bei diesen Treffen präsentieren wir Kunst von Künstlerinnen, aber auch Herren sind als Publikum herzlich willkommen. Hier kann die Teilnehmerin bzw. der Teilnehmer unmittelbar mit der Künstlerinn sprechen und somit ihre Kunstwerke aus einem anderen Blickwinkel betrachten.
Also doch! Männer dürfen ein wenig abgucken?
Ich mag diese starke Unterteilung in weiblich und männlich nicht. Ich unterstütze und fordere die Kunst von Künstlerinnen gern, da der Markt für sie schwierig ist, aber vergessen wir nicht, dass Kunst grenzenlos ist. Wir dürfen uns nicht einschränken. Das Wichtigste ist, Kunst über den Gender hinaus zu entwickeln und das Kunstwerk bzw. Meisterwerk dafür zu schätzen, was es ist, und nicht von wem es erschaffen wurde.
* Agnieszka Mese ist in Danzig geboren. Sie lebte die ersten 10 Jahre in Polen. Ihren 11 Geburtstag feierte sie bereits in Deutschland. Seitdem hat sie die deutsche Staatsangehörigkeit.
Dieses Interview würde auch Ihren Freunden gefallen? Dann schicken Sie Ihnen dieses Interview einfach zu:
de_DEDE